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Energieentlastungsbeschlüsse: Unzählige Auslegungsfragen bei der Härtefallregelung

03. 11. 2022

Das Nord- und Mittelthüringer Handwerk drängt auf rasche Klärung zahlreicher offener Punkte

Im Rahmen der Energieentlastungsbeschlüsse vom Bundeskabinett sowie vom Bund und den Bundesländern in der Ministerpräsidentenkonferenz am 2. November wurde die Einführung einer „Gaspreisbremse“ und einer „Strompreisbremse“ beschlossen. Die Beschlüsse umfassen neben der einmaligen Erstattung der Gas-Abschlagszahlung im Dezember 2022, der Strompreisbremse ab Januar 2023 sowie der Gas- und Fernwärmepreisbremse ab März 2023 (die rückwirkend ab Februar 2023 greifen soll) auch Härtefallregelungen.

 Mit den Härtefallhilfen sollen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterstützt werden, die trotz der Strom- und Gaspreisbremse von besonders stark gestiegenen Strom- und Gaspreissteigerungen betroffen sind und für die die Entlastung durch das Aussetzen des Dezember-Abschlags nicht ausreichend ist, um den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der zweiten Stufe der Gaspreisbremse im März zu überbrücken. Für diese so betroffenen Betriebe will der Bund die Finanzierung in Höhe von einer Milliarde Euro zur Verfügung stellen, wenn Antragstellung und Abwicklung der Härtefallregelung für KMU über die Länder erfolgt. Bis zum 1. Dezember 2022 soll ein Vorschlag für eine solche Härtefallregelung durch die Konferenz der Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister vorgelegt werden.

 Das Nord- und Mittelthüringer Handwerk fordert Tempo bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Entlastungsvorschläge. Der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein, erklärt: „Die Ministerpräsidentenkonferenz hat den Zug (endlich) ins Rollen gebracht. Die Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, viele unserer Entlastungsvorschläge wurden aufgegriffen. Allerdings stellen sich bei näherer Betrachtung zahlreiche Auslegungsfragen, auf deren rasche Klärung wir drängen. Für viele energieintensive Betriebe werden die getroffenen Beschlüsse nicht reichen, um ihr Geschäft weiterführen zu können. Die Regelungen müssen jetzt so konkretisiert werden, dass sie energieintensive Handwerksbetriebe tatsächlich durch den bevorstehenden Winter bringen.“

Das Handwerk benötigt die konkrete Klärung von zahlreichen offenen Punkten (ausgewählte Beispiele):

  • Die Begrifflichkeiten „KMU“ und „Industrie“ werden im Zusammenhang mit den Entlastungsmaßnahmen nicht sachgerecht verwendet. Nicht die Unternehmens-größe oder die Art des Betriebes, sondern die Abrechnungsart des Energiebezuges sowie die Abgrenzung eines Großverbrauchsvolumens stehen hier im Fokus.
  • Es muss sichergestellt werden, dass Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten, die einen Vertrag mit einem Versorger haben, nicht schlechter gestellt werden, nur weil sie über mehrere Verbrauchsstellen abgerechnet werden, als Unternehmen mit nur einer Verbrauchsstelle. Lösbar wäre diese über eine Günstigerprüfung.
  •  Betriebe ohne Verbrauchshistorie (z.B. Existenzgründer) dürfen nicht aus dem Anwendungsbereich der Gas- und Strompreisbremse fallen.
  •  Die Auszahlung des Differenzbetrages zum Vertragspreis im Rahmen der Gaspreis-bremse soll als verbrauchsunabhängige Prämie ausgezahlt werden. Bei dieser Definition ist nicht auszuschließen, dass der betreffende Betrag als Betriebseinnahme zu versteuern ist, was die Entlastung schmälert und nicht sachgerecht ist, da auf die Besteuerung des Abschlags verzichtet werden soll.
  •  Die Expertenkommission „Gas und Wärme“ empfiehlt, dass ab 1. Januar 2023 sichergestellt sein müsse, dass jedem Unternehmen hinsichtlich seiner beabsichtigten Gasversorgung ein Versorgungsvertragsangebot unterbreitet wird. Wichtig ist hierbei jedoch, dass diese Angebote auch zu Konditionen unterbreitet werden, die auch für die Betriebe betriebswirtschaftlich darstellbar sind. Im MPK-Beschluss findet sich hierzu keine Aussage.