Ausbildungsbetriebe müssen gestärkt werden - Umfrageergebnisse der 3. Betriebsbefragung liegen vor

Erfurt, 8. Mai 2020

Deutliche Umsatzeinbußen, stornierte Aufträge, gesprengte Lieferketten: Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit hat die Handwerksbetriebe in Nord- und Mittelthüringen weiterhin fest im Griff. Die Herausforderungen könnten nun auch Konsequenzen auf die Ausbildung junger Menschen haben. Zwar geben 45 Prozent der befragten Betriebe an, für das im Herbst startende Ausbildungsjahr genauso viele Auszubildende (38 Prozent) oder sogar mehr Auszubildende (5 Prozent) einstellen zu wollen. Gleichzeitig beabsichtigt jedoch jeder vierte Betrieb (25 Prozent), sein Engagement in der Ausbildung zu reduzieren.

Diese Zahlen gehen aus der dritten Sonderbefragung der Handwerksbetriebe in Zeiten der Corona-Krise hervor, die die Auswirkungen auf die aktuelle Geschäftstätigkeit untersucht. „Wir sind einerseits sehr glücklich über die Betriebe, die der Ausbildung weiterhin, trotz der schwierigen Situation, eine Chance geben wollen. Andererseits blicken wir mit großer Sorge auf die hohe Zahl der Betriebe, die ihre Ausbildung in Frage stellen. Für das Handwerk in Nord- und Mittelthüringen wäre dieser Rückgang fatal, weil er die Fachkräfteproblematik weiter verschärfen würde“, betont der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Erfurt, Thomas Malcherek.

Seit Jahren kämpft die Handwerkskammer Erfurt gemeinsam mit den Betrieben um junge Nachwuchs- und Führungskräfte. „Diese Bemühungen, die bereits zu Erfolgen führten, dürfen durch die Corona-Krise nicht konterkariert und zunichte gemacht werden“, sagt Thomas Malcherek. In den 14.002 Betrieben des Kammerbezirks arbeiten aktuell 69.500 Beschäftigte und 3.634 Lehrlinge. Allein im vergangenen Jahr wurde 1.622 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen – und damit Zukunftspläne im Handwerk geschmiedet.

Die Ausbildungsbetriebe sind eine wichtige Stellschraube im System der dualen Ausbildung, die weltweit hohe Anerkennung findet. Während in den Berufsbildungszentren, wie dem der Handwerkskammer Erfurt in Bindersleben, die theoretischen Grundlagen der Berufe gelegt werden, eignen sich die Auszubildenden die praktischen Fähigkeiten vor allem in den Handwerksunternehmen an. „Der Betrieb als Lernort lässt sich in keinem Fall ersetzen. Hier lernen die Auszubildenden nicht nur, wie sie ihre jeweiligen Aufgaben zur Zufriedenheit der Kunden meistern, sondern auch, wie sie verantwortungsvoll im Team arbeiten“, so Thomas Malcherek.

Damit dieses System trotz der Corona-Krise eine Zukunft hat und Ausbildungsbetriebe nicht als Lernorte verloren geht, steht er entschieden für eine Unterstützung der Ausbildungsbetriebe ein. Um den Betrieben mehr Planungssicherheit zu geben, fordert er für Auszubildende die gleichen Bedingungen beim Zugang zu Kurzarbeitergeld wie für andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Außerdem befürwortet er einen Vorstoß des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), der sich für einen einmaligen Zuschuss für die Ausbildungsbetriebe, die sich trotz der aktuellen Situation für ein weiteres Ausbildungsengagement entscheiden, ausspricht. Dieser Ausbildungszuschuss sollte sich an 75 Prozent einer durchschnittlichen tariflichen oder Mindestausbildungsvergütung über einen Zeitraum von drei Monaten orientieren.

Erste positive Signale, aber noch keine Trendwende

Im Vergleich zu den beiden Betriebsbefragungen, die im März und April dieses Jahres durchgeführt wurden, sendet das Handwerk erstmals leicht positive Signale. Zwar sind die Einschränkungen der Geschäftstätigkeit auch im vergangenen Monat hoch geblieben. Dennoch waren die negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Umsätze der Betriebe leicht rückläufig. Aktuell berichten 68 Prozent der Unternehmen von Corona-bedingten Umsatzeinbrüchen. Bei der vorherigen Befragung waren es noch 74 Prozent. „Nach wie vor verzeichnen die Gesundheitshandwerke und persönlichen Dienstleistungshandwerke die höchsten Einbußen. Wir sind jedoch vorsichtig optimistisch, dass sich diese Situation mit den schrittweisen Lockerungen, die in Thüringen durchgesetzt werden, verbessern kann“, sagt Thomas Malcherek. Seit Montag (4. Mai) dürfen sowohl Friseure und Barbiere als auch Kosmetiker und Fußpfleger ihre Dienstleistungen unter erhöhten Hygienestandards wieder anbieten.

Weiterhin hoch bleibt der Anteil der Betriebe, die von Auftragsstornierungen berichten – auch wenn eine leicht positive Tendenz zu erkennen ist. Aktuell melden 52 Prozent der Betriebe, dass gewerbliche und/oder private Kunden bereits erteilte Aufträge storniert haben. In der Vorbefragung waren es noch 56 Prozent. Die meisten Auftragsstornierungen verzeichnen erneut die Lebensmittel-Gewerke (81 Prozent), die persönlichen Dienstleistungsgewerke (72 Prozent) und die Kfz-Gewerke (59 Prozent).

Etwas verbessert hat sich hingegen die Personalsituation. Aktuell müssen 28 Prozent der Betriebe den Ausfall von Mitarbeitern durch Erkrankungen, Quarantänemaßnahmen oder fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Angehörige kompensieren. Das sind fünf Prozentpunkte weniger als in der zweiten Befragung. In diesen Betrieben fehlen durchschnittlich drei von zehn Mitarbeitern (29 Prozent). „Hier wird deutlich, dass die Ausweitung der Notbetreuung Früchte trägt. Sie muss jetzt kontinuierlich erweitert werden und darf nicht nur für Kinder gelten, deren beide Elternteile in systemrelevanten Berufen wie dem Gesundheits- und Pflegebereich, in Kindergärten und Schulen, bei der Polizei oder dem Rettungsdienst tätig sind“, so Malcherek. Auch das Handwerk sei systemrelevant. Die Bäcker und Fleischer, um nur zwei Beispiele zu nennen, zeigen sich für die Versorgung mit Lebensmitteln verantwortlich und sind für die Daseinsvorsorge der Menschen in der Region unerlässlich.

Als weiterhin großes Problem wird die Versorgung mit Materialien, Vorprodukten, Komponenten oder Betriebsmitteln eingeschätzt. 32 Prozent (zuvor 31 Prozent) der Betriebe berichten von Engpässen, 16 Prozent (zuvor 17 Prozent) sind von behördlich angeordneten Betriebsschließungen betroffen. Die Lieferengpässe treffen insbesondere die Kfz-Handwerke und die Handwerke für den gewerblichen Bedarf. „Die deutschlandweiten, aber auch internationalen Lieferketten sind ins Stocken geraten. Um die Engpässe nicht weiter zu verschärfen, muss die Politik den Weg für eine Wiederaufnahme der Lieferketten frei machen. Dringend notwendige Lieferungen dürfen nicht an Grenzschließungen scheitern“, sagt Thomas Malcherek.

Aufträge dringend notwendig

Die ersten positiven Signale, die aus der dritten Betriebsbefragung hervorgehen, deuten auf eine leichte Stabilisierung der Situation hin. „Unsere Unternehmen sehen wieder etwas Licht am Tunnel. Dieses ist nicht nur für die Wirtschaftlichkeit wichtig, sondern auch für die Moral der Inhaber und ihrer Beschäftigten“, sagt Thomas Malcherek. Er warnt jedoch davor, zu früh von einer Trendwende zu sprechen: „Die Auswirkungen der Corona-Krise werden noch lange zu spüren sein.“

Allein deshalb sei es wichtig, dass bereits bestehende Instrumente, die die Liquidität der Betriebe sichern, auch in den kommenden Wochen und Monaten Bestand hätten. Dazu gehört die Soforthilfe des Landes und Bundes, die bei über der Hälfte der Betriebe (52 Prozent) als erstes Mittel der Wahl gilt. Neben dem schnellen Zugang zu Kurzarbeitergeld, das 43 Prozent der Betriebe in Anspruch nehmen und der Stundung von Steuerzahlungen, auf die sich 33 Prozent der Betriebe stützen, wünscht sich Thomas Malcherek eine wieder steigende Nachfrage. „Um eine Krise nach der Krise zu vermeiden, brauchen unsere Betriebe Arbeit, sowohl von öffentlichen Auftraggebern als auch Privatkunden. Jeder Auftrag wirkt sich positiv auf das Geschäft aus, und damit konsequenterweise auch auf die Möglichkeit, attraktive Arbeits- und Ausbildungsplätze anbieten und sichern zu können“, erklärt er.