Gerade auf dem Bau werden deutliche Einbrüche der Neuaufträge bemerkbar.
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Gerade auf dem Bau werden deutliche Einbrüche der Neuaufträge bemerkbar.

Regionales Handwerk startet ungewiss ins neue Jahr

16. Januar 2023

Jahresauftakt-Pressekonferenz der Handwerkskammer Erfurt

Die wirtschaftliche Prognose für das Nord- und Mittelthüringer Handwerk im neuen Jahr 2023 ist ungewiss. Grund sind viele Unabwägbarkeiten und Risiken, die sich im Zuge der bestehenden internationalen Krisen weiter bemerkbar machen. Extrem gestiegene Energie- und Einkaufspreise, Materialmangel und eine Inflation auf Rekordniveau drängen viele Unternehmen an den Rand ihrer Existenz. Gerade den energieintensiven Unternehmen bleiben wenig Spielräume, um wirtschaftlich rentabel ihren Betrieb zu führen. Vor diesem Hintergrund hatte am 16. Januar die Handwerkskammer Erfurt zur Jahresauftakt-Pressekonferenz eingeladen.

Baubereich dürfte 2023 als Stabilisator wegfallen

„Neuaufträge werden storniert, die Kunden gehen sparsamer mit ihrem Geld um und viele Lieferketten sind weiterhin gestört. Wenn beim Bäcker des Vertrauens nur noch die Brötchen gekauft werden und nicht mehr der Kuchen, dann treiben uns die nächsten Monate viele Sorgenfalten auf die Stirn“, sagte der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein. „Gerade auf dem Bau merken wir deutliche Einbrüche der Neuaufträge. Das beunruhigt uns, weil die Bau- und Ausbaugewerke in vorangegangenen Krisen noch die Konjunkturanker waren. Wir vermuten, dass dies im Frühjahr zu einem Einbruch der aktuell noch robusten Geschäftslage führen wird. Wir müssen verhindern, dass hier Kapazitäten wegbrechen, die wir auf lange Sicht unbedingt brauchen, um uns zukunftsfest aufzustellen – beispielsweise der Wohnungsbau oder die energetische Gebäudesanierung.“

Jahresbeginn bringt energieintensive Betriebe in eine brenzlige Lage

Die von der Bundespolitik beschlossene Erdgas-Wärme-Bremse sowie die Strompreis-Bremse, die zum Jahresbeginn endlich greifen, gehen in die richtige Richtung. Allerdings kann für zahlreiche Betriebe im Januar und Februar die Liquiditätslage brenzlig werden: Weil die Hilfen erst im März rückwirkend gewährt werden, müssen Betriebe bereits jetzt zum Jahresbeginn in die Vorfinanzierung der hohen Energierechnungen gehen. Diese Betriebe unterstützt der Freistaat Thüringen mit dem Existenzsicherungsprogramm. „Jetzt kommt es darauf an, die Umsetzung weiterhin zügig vorzunehmen, damit mögliche Liquiditätsengpässe verhindert werden können“, fordert Thomas Malcherek, Hauptgeschäftsführer der HWK Erfurt, und appelliert an die Politik: „Natürlich bringen diese Bremsen auf längere Sicht keine Antwort darauf, wie gesichert werden kann, dass Energie unseren Betrieben bezahlbar und verlässlich auch in der Zukunft zur Verfügung steht. Wir fordern langfristig einen neuen Schub für die Energiewende, um möglichst schnell eine große, energetische Autarkie von externen Faktoren zu erreichen.“

Große Herausforderungen für das Handwerk 2023

Losgelöst von der Energieproblematik sieht das Nord- und Mittelthüringer Handwerk ganz grundsätzlich Entlastungsbedarf in ganz vielen Bereichen. Ein Hauptthema im kommenden Jahr bleibt die Sicherung der Fachkräftebasis im Handwerk – sei es durch mehr Ausbildung oder mittelstandsgerechte Zuwanderung. Demografiebedingt werden viele Betriebsinhaber und Fachkräfte aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Zugleich gibt es zu wenige junge Menschen, um diese Lücken zu schließen. „Oftmals entscheiden sich diese eher für ein Studium als für eine berufliche Ausbildung. Deswegen muss die Politik endlich für eine echte gleichwertige Behandlung von akademischer und dualer Berufsausbildung sorgen. Angehende Handwerksmeister müssten genauso behandelt werden wie Bachelorstudenten – beispielsweise mit einem Zuschuss zum Führerschein oder mehr Wohnheimen für Azubis“, sagt Stefan Lobenstein.

Kaum Fortschritte gäbe es beim Bürokratieabbau. „Da kämpfen sich unsere Betriebe weiter durch einen Dschungel an Vorschriften, Dokumentations- und Kontrollpflichten. Weit entfernt von Entlastungen sind wir auch bei den Abgaben“, so Thomas Malcherek. Der Freistaat müsse sich für die Verringerung der Gemeinschaftssteuern (Körperschaftssteuer, Einkommen- und Lohnsteuer, Umsatzsteuer) einsetzen und eigene Landessteuern, wie die Grunderwerbssteuer und die Erbschaftssteuer, senken.