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Handwerkskammer Erfurt tritt dem Nachwuchsmangel entgegenFachkräfte werden dringend gesucht

„Die Konjunkturaussicht ist gut, aber die Fachkräfte fehlen. Aufgrund des demographischen Wandels wird sich die angespannte Lage weiter verschärfen“, sagte Stefan Lobenstein, Präsident der Handwerkskammer Erfurt, bei der Pressekonferenz zum Jahresauftakt am 9. Januar 2019. Das Präsidium der Handwerkskammer Erfurt mit Hauptgeschäftsführer Thomas Malcherek informierte im Gildehaus am Erfurter Fischmarkt über die aktuelle Lage der Fachkräfteentwicklung des Handwerks in Nord- und Mittelthüringen. Als eine von insgesamt drei Handwerkskammern im Freistaat betreut die Handwerkskammer Erfurt allein 14.075 und damit fast die Hälfte aller Handwerksbetriebe in Thüringen.

Während das Handwerk nach wie vor vom hohen privaten Konsum, den Investitionen im Wohnungsbau und öffentlichen Bau sowie bei den Ausrüstungsinvestitionen profitiert, verliert die Aufwärtsdynamik an Schwung. „Die Betriebe arbeiten an ihren Kapazitätsgrenzen. Und dem Arbeitsmarkt stehen kaum Fachkräfte zur Verfügung“, sagte Stefan Lobenstein. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen weiter an. Im Vergleich zu 2017 waren 5.500 weitere Stellen unbesetzt. Darüber hinaus überstieg die Anzahl der gemeldeten Ausbildungsstellen 2018 rechnerisch erstmals die der gemeldeten Bewerber.

Alarmierend ist auch die Entwicklung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen. In Thüringen blieben 2017 41 Prozent der ausgeschriebenen Stellen unbesetzt. Damit liegt der Freistaat über dem Bundesdurchschnitt. Leichte Beschäftigungszuwächse seien allenfalls bei mittleren und großen Handwerksbetrieben zu verzeichnen. Um diesen Trend entgegen zu wirken, sprach sich Stefan Lobenstein entschieden gegen den Akademisierungstrend aus. „Über die Hälfte der Thüringer Schulabgänger nimmt ein Studium auf, ein Drittel davon bricht es wieder ab. Wir möchten mehr Menschen in die duale Ausbildung im Handwerk bringen und das Handwerk als moderne und zukunftssichere Möglichkeit darstellen“, sagte er.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Handwerkskammer Erfurt zahlreiche Maßnahmen ins Leben gerufen. Schüler können beispielsweise im Rahmen der praxisnahen Berufsorientierung im Berufsbildungszentrum erste Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern sammeln und sich im Beruf ihrer Wahl vertieft orientieren. Bildungsberater informieren sie, aber auch ihre Eltern und Lehrer in allen Fragen rund um die Ausbildung und Karriere im Handwerk. Und für Schüler mit gutem Realabschulabschluss bietet die Handwerkskammer Erfurt das Handwerkergymnasium an, an dem die Schüler gleichzeitig mit dem Abitur Inhalte der Meisterausbildung absolvieren.

„Maßnahmen wie diese sind ein wichtiger Baustein. Trotzdem ist weiterhin die starke Unterstützung durch die Politik notwendig“, betonte Stefan Lobenstein. Er forderte, dass die Gleichwertigkeit von dualer und akademischer Ausbildung besser kommuniziert, die Lust am Unternehmertum und der Selbstständigkeit geweckt und die Berufsorientierung auf alle Schulformen ausgeweitet wird. Darüber hinaus sollen die Bedingungen für lebenslanges Lernen verbessert und Maßnahmen zur Personalgewinnung und -entwicklung gefördert werden.

Erfolge brachte derweil die 2010 gestartete Imagekampagne des Handwerks. Mit Hilfe von offensiven und teils provokanten Marketing machte das Handwerk auf sich aufmerksam – und hat etwas in den Köpfen der jungen Menschen bewegt. Laut einer aktuellen Forsa-Trendmessung liegt die Ausbildung im Handwerk mindestens gleichauf, in den meisten Aspekten sogar vor dem Studium. Damit hat sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die abgeschlossenen Lehrverträge seit drei Jahren ansteigen.

Während der Bedarf an Auszubildenden und Fachkräften für die Zukunft gesichert werden muss, machten Stefan Lobenstein und Thomas Malcherek drei weitere Herausforderungen für das Handwerk aus. Einerseits habe der demographische Wandel Einfluss auf das Nachfrageverhalten: „Tätigkeiten, die älteren Mitmenschen helfen, werden mehr nachgefragt“, so Stefan Lobenstein.

Andererseits müsse auch der Umgang mit der alternden Belegschaft geregelt werden. Das betrifft beispielsweise die Arbeitszeit-Gestaltung, aber auch die Weiterbildung für Ältere. Eine wichtige Rolle spiele außerdem die Betriebsnachfolge. Von den derzeit 14.075 Mitgliedsbetrieben der Handwerkskammer Erfurt sind mehr als ein Drittel der Inhaber über 55 Jahre alt.