Die Corona-Krise - welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für Auftraggeber und Auftragnehmer eines Bauvorhabens?

Aufgrund von vermehrten Anfragen unserer Mitglieder der Handwerkskammer Erfurt, welche Konsequenzen sich aus der Corona-Krise für die Durchführung von Bauvorhaben ergeben, haben wir Herrn Rechtsanwalt Stephan Schultz, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Erfurt, darum gebeten, hierzu Hinweise zu geben.

Rechtsanwalt Stephan Schultz gibt Ihnen hierzu seine Auffassung wie folgt wieder:

Corona-Krise und Ausgangssperre

Derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung ein Gesetz oder eine Verordnung plant, die eine bundesweite oder auch nur auf Städte und Gemeinde begrenzte Ausgangssperre zum Inhalt hat. Das Robert-Koch-Institut hält dieses praktisch auch kaum für umsetzbar, da insbesondere große Städte sich nur bedingt abriegeln lassen. Die bislang diskutierten Überlegungen zu einer „Ausgangssperre“ beinhalten nicht ein Ausgangsverbot für den Hin- und Rückweg zur Arbeitsstätte.

Von daher ist davon auszugehen, dass Auftragnehmer eines Bauvorhabens grundsätzlich dazu verpflichtet bleiben, trotz der Corona-Krise, die vom Auftraggeber beauftragten Bauleistungen auszuführen, da es bislang kein gesetzliches oder behördliches Verbot gibt, den Aufenthaltsort innerhalb des Bundesgebiets zu verändern.

Corona-Krise und Allgemeinverfügung

Das Land Thüringen hat zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zu COVID-19 Erlass 2/2020 eine bis zum 10. April 2020 gültiger Allgemeinverfügung erlassen, welche Versammlungen und Menschenansammlungen von 50 und mehr Personen verbietet. Ein Bauvorhaben stellt - juristisch gesehen - allerdings keine Menschenansammlung dar, so dass die Allgemeinverfügung die Ausführung von Bauvorhaben nicht berührt. Durch Städte und Gemeinden in Thüringen sind teilweise noch strengere Allgemeinverfügungen erlassen worden, die eine Tätigkeit von Handwerksbetrieben im Bereich des Baugewerbes aber nicht untersagen.

Corona-Krise und höhere Gewalt bei der Abwicklung von Bauverträgen 

In der VOB/B ist unter § 6 Abs. 2 c) geregelt, dass Ausführungsfristen von Bauvorhaben verlängert werden, soweit die Behinderung verursacht ist durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände. Das BGB regelt vergleichbares unter § 313 BGB, wonach im Falle der Störung der dem Vertrag zu Grunde liegenden Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrages, sogar bis hin zur Aufhebung des Vertrages, verlangt werden kann.

Es ist sicherlich naheliegend anzunehmen, dass bereits die Corona-Epidemie für sich genommen ein hinreichender Grund ist, dass die Parteien eines Bauvertrages gehalten sind etwaig vereinbarte Vertragstermine anzupassen. Allerdings ist es gleichwohl geboten, hierbei konkret zu berücksichtigen, welche Hindernisse derzeit für die Ausführung der Bauleistung vorliegen und ob es hierbei einer Vertragspartei, insbesondere dem Auftragnehmer, unzumutbar ist, die beauftragte Bauleistung auszuführen. Insoweit sind die Parteien eines Bauvertrages nach dem bauvertraglichen Kooperationsgebot verpflichtet, mit sachlichen Argumenten erforderliche Vertragsänderungen zu verhandeln und zu vereinbaren. 

Corona-Krise und Vertragsstrafe 

In Bauverträgen werden häufig verbindliche Ausführungsfristen für die Fertigstellung des Bauvorhabens vereinbart, verbunden mit einer Vertragsstrafe, für den Fall, dass die Fertigstellungsfrist überschritten wird. Allerdings gilt der Grundsatz, dass im Falle des unverschuldeten Verzuges des Auftragnehmers eine Vertragsstrafe nicht anfällt. 

Sofern der Verzug auf verspätete Materiallieferungen von Baustofflieferanten beruhen sollte, ist der hieraus resultierende Fertigstellungsverzug des Auftragnehmers nicht verschuldet, da der Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Auftragnehmers ist (OLG Celle, IBR 2008, 718). 

Für den Fall, dass Mitarbeiter eines Bauunternehmens sich in Quarantäne wegen eines Corona-Verdachts begeben müssen und aus diesem Grunde der Bauunternehmer nicht mehr über genügend Arbeitskräfte verfügt, um das Bauvorhaben rechtzeitig fertigzustellen, ist ebenfalls von einem fehlenden Verschulden des Auftragnehmers auszugehen. Dieses gilt jedenfalls dann, wenn dem Auftragnehmer keine kurzfristigen, zumutbaren Alternativen, wie etwa die Beauftragung eines Subunternehmers oder der Einsatz von Leiharbeitnehmern, zur Verfügung stehen. 

Gleichwohl ist Auftragnehmer zu empfehlen bei Bauverträgen, die erst nach Ausbruch der Corona-Pandemie geschlossen werden, im Hinblick auf die Vereinbarung von verbindlichen Fertigstellungsfristen Vorsicht walten zu lassen, da die sich aus der Pandemie ergebenden Risiken für den Bauablauf nunmehr erkennbar werden und bei der Vereinbarung von Fertigstellungsfristen zu berücksichtigen sind. 

Unterbrechung des Bauvorhabens von mehr als 3 Monate 

Falls das Bauvorhaben aus Gründen der Corona-Pandemie länger als 3 Monate unterbrochen ist, besteht für beide Vertragsparteien im VOB-Bauvertrag, nach § 6 Abs. 7 VOB/B, die Möglichkeit das Vertragsverhältnis, ohne Vorankündigung, zu kündigen.

Annahmeverzug des Auftraggebers 

Für den Fall, dass der Auftraggeber die – wenn auch nur vorläufige - Einstellung des Bauvorhabens aufgrund der Corona-Pandemie anordnet, besteht die Möglichkeit, dass der Auftraggeber hierdurch in Annahmeverzug gerät, wenn der Auftragnehmer tatsächlich weiterhin leistungsbereit ist und den Bauauftrag durchführen möchte. Der Auftragnehmer hat dann nach § 643 BGB die Möglichkeit den Vertrag zu kündigen, wenn der Auftraggeber, trotz Fristsetzung mit Kündigungsandrohung, die Baueinstellung nicht aufhebt.

Kooperation ist gefragt! 

Die Errichtung eines Gebäudes ist bekanntermaßen ein äußerst komplexer Vorgang, der nur funktioniert, wenn alle Beteiligten miteinander kooperieren und Rücksicht nehmen. In Zeiten einer Corona-Pandemie gilt dieses erst recht. Aufgrund der Tatsache, dass derzeit die Auswirkungen der Corinna-Pandemie noch nicht überblickt werden können, ist es geboten, dass die Parteien eines Bauvorhabens äußerste Rücksichtnahme auf die jeweiligen Interessen von Bauherrn und Bauunternehmer üben. Kooperation und Kommunikation zwischen Bauherrn und Bauunternehmer ist daher gefragt! 

Stephan Schultz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Erfurt